Schon eine ganze Weile war ich nicht mehr auf der Hochebene mit den wunderbaren Seen im Wallis. Endlich öffnet sich ein Zeitfenster, und so fahre ich noch vor Sonnenaufgang in die westlichen Alpen. Kurz nach der Passüberquerung parke ich das Auto und mache mich mit viel Gepäck auf den Weg.
Im Dunkeln verliere ich den Wanderweg und lande bei einer Alphütte. Der Hund schlägt an, sein Bellen kommt immer näher. Im Licht der Stirnlampe flüchte ich eine Felswand hinauf. Der Boden ist noch nass vom Regen der letzten Tage, sicherer Halt kaum zu finden. Oben angekommen bin ich völlig ausser Atem – das Herz rast, die Lunge brennt vom abrupten Start in den Tag. Doch nun kann mich nichts mehr aufhalten: Die Wettervorhersage verspricht beste Bedingungen – aufziehende Wolken aus Westen zum Tagesbeginn, dazu Windstille. Perfekt für Fotos in Richtung Westen.
Bald erreiche ich die Passhöhe. Von hier geht es gemütlich hinunter, was mir entgegenkommt – ich bin immer noch leicht ausser Atem, und das schwere Zeitraffer-Equipment lastet auf meinen Schultern. In der Dunkelheit sind keine Zelte an den Seen auszumachen, obwohl hier im Sommer Hochbetrieb herrscht. In Ruhe baue ich alles auf und programmiere die Zeitraffer über mehrere Softwares. Der See liegt spiegelglatt vor mir, kein Lüftchen regt sich. Von den angekündigten Wolken aus Westen ist noch nichts zu sehen.
Pünktlich zur Blauen Stunde startet die Aufnahme. Mit der zweiten Kamera mache ich Fotos rund um den See. Nun ziehen langsam die Wolken aus Westen auf – boah, das könnte ein farbenprächtiger Morgen werden. Und tatsächlich: Kurz vor Sonnenaufgang färbt sich der Himmel in kräftigem Pink. Es ist bitterkalt, das Ufer gefroren, das Gras von Raureif überzogen. Auf meinen Schuhen bildet sich eine Eiskruste, und in den Zehen schwindet das Gefühl. Die ersten Sonnenstrahlen erfassen die Berge und tauchen wenig später auch das Tal in warmes Licht. Zeit, zusammenzupacken und die Umgebung zu geniessen. Erst als ich den Pass wieder erreiche, spüre ich die Sonne im Gesicht – meine Zehen danken es mir.
Mit vielen Bildern und Erinnerungen im Gepäck mache ich mich schliesslich auf den Heimweg.
