Früh an diesem Frühlingsmorgen balanciere ich über die kühlen und nassen Steine. Grosse und kleine Brocken im Bachbett der Emme zeugen von der Kraft des Wassers, das sich im hinteren Emmental innerhalb von Minuten sammeln und zu Unwettern führen kann.
Der Eingang zur Schlucht ist vom Nebel verhüllt, die Sonne ist gerade hinter den Alpen aufgegangen. Eigentlich wollte ich schon gestern hinabsteigen, aber aufziehende Gewitter machten es zu gefährlich. Über Nacht hat sich der Wasserstand auf das vorher definierte Mindestvolumen reduziert. Ein letzter Check der Wetterdaten, und los geht es. Das eiskalte Wasser dringt schnell in meine Beine ein. Bis zur Hüfte im Wasser, quere ich den ersten Abschnitt und betrete die Schlucht. Vor zwei Jahren, kurz vor dem letzten Unwetter, konnte ich das Räbloch mit dem Packraft durchqueren und kenne die Hürden am Eingang. Doch das Bachbett verändert sich schnell, die Wassertiefen und die Strömung variieren. Ein Risiko bleibt bei einem solchen Unterfangen, doch eine solide Vorbereitung und entsprechende Ausrüstung sind Pflicht und reduzieren das Risiko.
Der Nebel dringt tief in den Canyon hinein, das Wasserrauschen wird mystisch verstärkt. Nochmals Wetter- und Sicherheitscheck, und weiter geht es hinein. Nach kurzer Zeit dringt das erste Licht zum Eingang und erhellt den Nebel mit dem Morgenlicht. Wow, was für eine Stimmung – ich bin überwältigt. Die Lichtunterschiede in der tiefen Schlucht sind so gross, dass ich Belichtungsreihen erstelle, damit die Fotos später am Computer ausgeglichen belichtet werden können.
Nach langer Zeit habe ich langsam genug; der Nebel nimmt ab und meine Füsse sind fast taub vor Kälte. Ich erklimme die letzten Steine aus der Schlucht heraus und bin froh, heil herausgekommen zu sein. Nun geht es ab ins Auto, um mit der Heizung die kühlen Körperstellen zu wärmen. Ein lang ersehntes Abenteuer konnte ich heute erleben, und ich bin überglücklich.
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