Wenn um vier Uhr morgens der Wecker klingelt, bist du unsicher, ob du aufstehen sollst? Für mich sind dies die leidigen Entscheidungen zwischen Gehen und Schlafen. Erst mal Kaffee machen und nochmals die Daten checken.
Schon vor einer Woche ist mir das Wetterfenster an diesem Morgen aufgefallen, und ich habe mit Martin Mägli (www.naturbild.ch) einen provisorischen Termin vereinbart. Nun schreiben wir uns noch kurz, und ich entscheide, dass wir uns an diesem Ort treffen werden. Kurze Zeit später fahre ich los durch die Dunkelheit der Nacht.
Am Fuss des Juras ist noch kein Winter in Sicht. Der prognostizierte zähe Nebel auf 1’100m ist nicht zu sehen, und ich fahre vorsichtig die glatte Strasse. Ich frage mich und zweifle – zu was habe ich mich und Martin hinreissen lassen. Auf etwa 1’200 werden die Bäume langsam leicht gezuckert weiss, und weiter oben auf dem Pass sind die Tannen im Scheinwerferlicht doch schneebedeckter als gedacht. Der Nebel der letzten Tage hat wohl die Schneeschicht erhalten und mit Eis konserviert. Die Strasse ist nun mit Schnee bedeckt, und das ABS des Autos arbeitet trotz Kriechgang wie verrückt.
Ich muss auf dem Parkplatz nur kurz warten, und dann geht es zusammen los. Meine Stirnlampe hat keinen Akku mehr, und so stapfe ich in der Spur dem Lichtkegel von Martin hinterher. Vor uns hat es noch einen weiteren Nachtschwärmer, der auf dem Weg zum geplanten Ort ist. Knapp eine Stunde später stehen wir an der gewaltigen Felswand. Hinter uns im Westen zieht unerwartet eine lose Wolkenfront auf. Hier sind wir uns noch nicht bewusst, was diese bewirken wird.
Wir beginnen mit dem klassischen Spot, der langsam seine Schönheit verliert. Die Äset sind karg, und das Morgenlicht ist noch nicht wie gewünscht. Ich gehe voran. Entgegen den getroffenen Absprachen lege ich bei der nächsten Baumgruppe eine ordentliche Spur in den Schnee. Ein Foto von der unberührten Schneepracht ist nicht mehr möglich. Nun gilt es vorsichtig zu sein, dass wir uns nicht gegenseitig einschränken.
Die dritte Person ist vor uns, und als wir die ersten Gämsen entdecken, hält ihn nichts mehr zurück. Genau hier hört der Spass auf. Anstatt den Tieren Platz zu geben, läuft er hinterher, um ein Foto zu machen. Sein Equipment ist nicht dafür geeignet, und trotzdem soll das Foto in den Kasten. Die Gämsen flüchten durch den Tiefschnee – eine unnötige Aktion. Als die Gämsen über den Grat sind, laufen wir weiter.
Nun kümmere ich mich um eine gute Sicht in den Felskessel. Am Rande hat es einige vereiste Bäume, die sich für das Foto ideal eignen. Die ersten Wolken aus dem Westen erreichen unseren Standort und lösen sich über dem Mittelland auf – perfekte Bedingungen. Mit der Dämmerung beginnen die Wolkenfetzen zu leuchten. Pinke und rote Farbtöne des Himmels färben optisch den weissen Schnee. Nach und nach kommt mehr Licht, ich kann fast nicht aufhören mit dem Fotografieren. Und dann kommt die Sonne über den Horizont und leuchtet in die verschneite Landschaft – Jackpot.
Kurz darauf laufe ich weiter und entdecke die Gämsen in einer Senke. Ich halte ein, drehe um und laufe zurück. Später stosse ich zu Martin, der sein Glück auf der Anhöhe gesucht hat. Hier mache ich auch noch ein paar Fotos, bevor wir uns wieder aufteilen. Es wird nun mit dem aufziehenden Wind eisig kalt, und ich mache mich auf den Heimweg.
Im warmen Auto reflektiere ich den Morgen. Wären wir unserem Fotoglück heute Morgen bewusst gewesen, wären wir ohne Zögern schneller aus dem Bett gestiegen. Was für ein Wintermorgen – mehr davon bitte!
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