Das Wetter in diesem Sommer ist extrem heiss und wir haben gerade zwei Wochen Sommerferien. Die Region um den Gotthard ist seit dem Buch „Die schönsten Passwanderungen in den Schweizer Alpen“ auf unserer Todo Liste und so planen wir einen Ausflug in dieses Gebiet. Der viele Schnee vom letzten Winter ist aufgrund der hohen Temperaturen auch in der oberen Lagen bereits grösstenteils weg und so sind die Pässe und Routen frei für eine Passwanderung. Anders als oft, ist mir dieses Gebiet neu und ich habe auch keine klare Vorstellung was mich dort erwarten wird, bis auf die paar Impressionen aus dem Buch. Es ist aber genau das, was mich gerade sehr reizt. Kein überlaufener „Top Spot“ der schon all zu oft im Internet auftaucht und so ist mein Kopf frei von möglichen Bildkompositionen. Ich weiss einzig, dass es dort einige Bergseelein hat. Heute geht es mal wieder ums Abenteuer und nicht um möglichst jeden Spot abzuklappern. Etwas was ich bei der heutigen Bilderflut oft im Nachhinein vermisse, der Druck auf die Erwartungen sind somit tief und die Neugier sehr hoch.
Christine plant die ganze Tour und bucht im Voraus zwei SAC-Hütten, die auf der Route liegen. Am späten Morgen fahren wir mit dem Auto nach Andermatt und kommen promt noch auf den letzten Kilometer in den Gotthard-Stau. Der geplante Zug auf den Oberalppass sehen wir nur noch von Weitem und so nehmen wir es sehr gemütlich – es folgt eine kurze Kaffeepause im Bahnhofsbuffet von Andermatt. Eine Stunde später rattert die Matterhorn-Gotthard Bahn nun mit uns an Board die steile Strecke hoch auf den Oberalppass, von hier aus starten wir die Wanderung.
Nach einem kurzen Abstieg geht es hoch zum Tomasee, der unglaublich viele Tagestouristen anzieht. Der Wanderweg gleicht einer Völkerwanderung, über hundert Wanderer kommen uns auf deren Rückweg entgegen. Der Tomasee wird als Quelle des Rheins angesehen. Hier in der Region kann man noch zu weiteren Quellen von bekannten Gewässern laufen, wir beschränken uns aber diesmal auf die Rheinquelle. Weiter geht es hinunter zur Maighelshütte, wo wir die erste Übernachtung gebucht haben. Auf dem Weg dorthin erkunde ich die vielen kleinen und grossen Seelein. Die Hochmoor-Landschaft ist geprägt von den vielen kleine Wasserläufen und dem sumpfigen Boden. Für mich eine ideale Kulisse um mich am Abend und am Morgen mit der Kamera frei auszutoben. Bei der Hütte angekommen geniessen wir zuerst einmal das herrliche Wetter auf der Terrasse, mit dem Blick auf die gegenüber liegenden Berge.
Das Nachtessen ist ein wahrer Schmaus, die ganze Wirtenfamilie von Gross bis Klein hilft dabei tatkräftig mit und verwöhnt uns. Zum Dessert gibt es ein sehr feines Maronen-Vanille Mousse – ein Traum! So nun gehe ich noch kurz raus und geniesse die Abendstimmung am mittlerweile windstillen Lai Urlaun.
Die Nacht ist mal wieder typisch Hüttenleben. Es schnarcht aus jeder Ecke, die Temperaturen sind wie in einer Sauna und somit ist nicht an viel Schlaf zu denken. Ich husche frühmorgens raus an die frische Luft und mache mich auf zum Lai Carin. Kein Wind und keine Wolken, ich fotografiere die Spiegelung der umliegenden Berge im See und nach etwa einer Stunde laufe ich zurück zur Hütte. Pünktlich zum Morgenessen bin ich einer der Ersten und somit geniesse ich die Ruhe beim Frühstücken. Später stösst auch Christine dazu und wir nehmen uns an diesem Morgen viel Zeit zum Geniessen. Für die Wanderung zur nächsten Hütte benötigen wir nur etwa drei Stunden, also haben wir keinen Stress.
Gegen neun Uhr starten auch wir als fast Letzte nun zur Wanderung. Es geht durch das wunderschöne Val Maighels, vorbei an glasklaren Bergseen, hoch auf den Pass Bornengo. Danach steil runter über eine Gerröllhalde. Zwischen den Steinen entdecken wir immer wieder Quarzsteine, zum Teil sehr schöne Exemplare mit Kristallen. Der Rucksack von Christine wird mit jedem Meter schwerer und wir geniessen so richtig das langsame Vorwärtskommen.
Am Schluss geht es nochmals richtig rauf, über einen ehemaligen Gletscher mit vielen abgeschliffenen Steinen. Und prompt treffen wir auf ein paar Steingeissen mit ihren verspielten Jungen, die sich auf einem Schneefeld ausruhen und abkühlen. Wir haben am vorderen Abend erfuhren, ist es keine Seltenheit, dass man viele grosse und kleine Steinböcke um die Hütte beobachten kann. Das liegt wohl auch am Leckstein, der in unmittelbarer Nähe der Hütte auf einem Stein angebracht ist.
Nach zwei Tagen auf Wanderung sind wir ordentlich verschwitzt und so gönnen wir uns ein Bad im Lago die Dentro unterhalb der Hütte. Dieser ist aktuell wegen dem Schmelzwasser noch sehr kalt und für mich kommt so nur ein kurzer Schwumm von wenigen Meter in Frage. Ziemlich erfrischt geniessen wir den Abend in der Hütte. Es sind nun einige Wolken aufgezogen und bald beginnt es zu blitzen und donnern – ein typisches abendliches Alpen-Gewitter ist im Anmarsch. Der Regen lässt bis in die Nacht nicht nach und so entscheiden wir uns früh ins Bett zu gehen. Wir sind Beide sehr müde, zum Glück wird diese Nacht angenehmer. Ich schlafe bis der Wecker klingelt und kann ziemlich erholt den Morgen geniessen. Es ist noch nicht ganz hell und vor der Hütte begrüsst mich der erste Steinbock mit einem lauten Grunzen – ich erschrecke dabei gewaltig. Ich laufe etwas weg von der Hütte um die Morgenstimmung zu fotografieren. Von Weitem beobachte ich weitere Steinböcke, die sich gemütlich auf den Weg zur Hütte machen. Langsam ziehen einzelne Wolken ins Tessin und kurz vor dem Sonnenaufgang verfärben sich diese tief rot. Es wird von Minute zu Minute magischer, wieder einmal dieser gewünschten Momente in einem Gebiet wo jeder Meter neu ist. Ich kehre Glücklich zur Hütte zurück, von weitem erkenne ich die ersten Personen auf der Terrasse. Es haben sich nun etwa zehn grosse Steinböcke zur Hütte vorgewagt und das ist natürlich ein riesen Schauspiel.
Nach einem ausgiebigen Morgenessen treten wir den Heimweg an. Dazu wandern wir etwa drei Stunden bis zum Lago Ritom. Unterwegs begegnen wir noch einer riesigen Yak-Herde mit ihren Jungen, wir fühlen uns dabei wie im Himalaya. Die letzten Höhenmeter hinunter nach Ambri machen wir mit der Ritombahn, einer Einkabinen-Windenbahn mit bis zu 87% Steigung.
Nachdem wir mit etwas Verspätung Andermatt erreichen, machen wir uns glücklich und erfüllt auf den Heimweg. Die Region um den Gotthard hat einiges zu bieten, ein wundervolles Gebiet im Herzen der Schweiz, das wir empfehlen können.
Letztes Abendlicht am Lai Urlaun
Sonnenuntergang am Lai Urlaun
Morgendämmerung am Lai Carin
Christine und das Bergpanorama
See vor dem Pass Bornengo
Steinböcke und der Mond
Morgendämmerung
Steinformation
Lago die Dentro im Morgenlicht
Sonnenaufgang
Steinbock am frühen Morgen
Steinböcke am Morgen
Yak am Morgen beim Fressen